Refraiming

Veröffentlicht am 27. April 2025 um 14:45

Liebe Leserinnen, liebe Leser, 

Konflikte gehören zum menschlichen Miteinander – ob im privaten Umfeld, im Beruf oder in der Gesellschaft. Doch wie wir mit Konflikten umgehen, macht den entscheidenden Unterschied. Eine durchaus wirksame Methode, um Konflikte konstruktiv zu bewältigen, ist das Reframing – also das bewusste Umdeuten von Situationen oder Aussagen. Dabei spielt auch das Verständnis für andere Perspektiven sowie das Wissen über psychologische Zusammenhänge eine zentrale Rolle.

Reframing (engl. „to reframe“ = „neu einrahmen“) bedeutet, einer Situation, einem Verhalten oder einer Aussage einen neuen Bedeutungsrahmen zu geben. Es geht darum, den Fokus zu verschieben – von der Bedrohung zur Chance, vom Angriff zur Not, vom Vorwurf zur Bitte. Reframing verändert damit nicht die Realität, sondern die Art, wie wir sie wahrnehmen und bewerten.

Zum tieferen Verständnis hier ein kleines Beispiel: Statt beispielsweise zu denken „Mein Kollege ist unzuverlässig, weil er nie pünktlich ist“, könnte ein Reframing lauten: „Vielleicht zeigt sich sein Stress im Zeitmanagement, und er braucht Unterstützung.“

oder

bei der Aussage einer Konfliktpartei: „Er ist ein Kontrollfreak – er mischt sich in alles ein!“  

Reframing durch den*die Mediator*in: „Es scheint Ihnen wichtig zu sein, dass Strukturen eingehalten werden und Dinge verlässlich ablaufen.“

So entsteht Raum für Empathie statt Verurteilung – und damit für Lösungen statt Eskalation.

Doch warum ist Reframing gerade in Konfliktsituationen so wichtig?
Nun, Konflikte eskalieren oft, weil jede Partei auf ihrer eigenen Sichtweise beharrt. Reframing lädt hierbei dazu ein, die Perspektive zu wechseln und alternative Interpretationen zuerst einmal zuzulassen. Das fördert Verständnis, reduziert Spannungen und verhindert verhärtete Fronten. Wer zudem eine schwierige Situation neu bewertet, kann oft seine negativen Emotionen – etwa Wut, Enttäuschung oder Angst – mildern. Reframing schafft inneren Abstand und öffnet den Blick für lösungsorientiertes Handeln.
Statt also in Schuldzuweisungen oder Rechtfertigungen zu verharren, ermöglicht Reframing einen wohlwollenden und sachlichen Ton. Das erleichtert die Verständigung – selbst in angespannten Situationen.

Doch Reframing funktioniert nicht im „luftleeren Raum!“ Es setzt Verständnis für menschliche Bedürfnisse und das Wissen über Kommunikationsdynamiken voraus. Denn hinter jedem Verhalten steckt ein Bedürfnis – beispielsweise nach Anerkennung, Sicherheit oder Autonomie. Wer dies erkennt, kann selbst kritisches Verhalten als Ausdruck eines legitimen Bedürfnisses sehen. Das verändert die Haltung gegenüber unserer Mitmenschen grundlegend.
Konflikte folgen überdies bestimmten Mustern – wie dem „Teufelskreis“ aus Angriff und Gegenangriff. Wer diese Muster kennt, kann sie unterbrechen. Reframing ist dabei ein Schlüsselwerkzeug.

Auch das Wissen um Wahrnehmungsverzerrungen, Trigger, emotionale Reaktionen und Schutzmechanismen hilft dabei, die eigene Interpretation von Situationen kritisch zu hinterfragen und durch bewusstes Reframing zu ersetzen. Damit ist Reframing weit mehr als ein „Kommunikationstrick“ – es ist ein Ausdruck von Reife, Empathie und innerer Stärke. In Konfliktsituationen eröffnet es neue Handlungsspielräume, fördert das gegenseitige Verständnis und unterstützt einen respektvollen Umgang. Doch damit es wirken kann, braucht es ein fundiertes Verständnis der menschlichen Psyche und die Bereitschaft, eigene Denk- und Deutungsmuster zu hinterfragen.

Wer Reframing gezielt einsetzt, wird nicht nur Konflikte besser lösen können- sondern auch Beziehungen vertiefen, Vertrauen stärken und nachhaltige Veränderungen anstoßen.

In Konfliktsituationen prallen oft festgefahrene Meinungen, Emotionen und Vorwürfe aufeinander. Mediation als strukturierte Konfliktlösung setzt genau hier an – mit dem Ziel, die Kommunikation zwischen den Parteien zu verbessern und gemeinsame Lösungen zu ermöglichen.

Reframing hilft hierbei, aggressive oder verletzende Aussagen zu entschärfen, ohne den Sprecher zu entwerten. Dadurch entsteht Raum für echte Kommunikation – nicht für Verteidigung oder Gegenangriff.

Reframing ist keine Technik, die man einfach anwendet – sie lebt von Empathie, aktiver Zuhörkompetenz und dem Wissen über Kommunikationspsychologie. Wer reframed, trifft bewusste Entscheidungen darüber, was betont wird, welcher Aspekt in den Vordergrund rückt und wie dabei eine wertschätzende Atmosphäre erhalten bleibt.

Mediator*innen müssen in diesem Kontext:

  • zwischen den Zeilen hören können,
  • emotionale Botschaften erkennen und umwandeln,
  • neutral bleiben, ohne die Aussagen der Parteien zu verzerren,
  • und gleichzeitig die Parteien dazu anregen, neue Perspektiven einzunehmen.

Reframing ist also nicht nur ein Werkzeug, sondern eine Haltung, die die gesamte Mediation prägt. Eine Haltung, die auf Respekt, Verständnis und dem Vertrauen basiert, dass Konflikte lösbar sind – wenn man nur bereit ist, anders hinzuschauen.

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