Symbolischer Interaktionismus

Veröffentlicht am 27. April 2025 um 16:33

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

neben dem sozialen Konstruktivismus ist der symbolische Interaktionismus eine soziologische Theorie, die sich mit der Art und Weise beschäftigt, wie Menschen durch symbolische Kommunikation und Interaktion ihre soziale Realität konstruieren. Diese, von George Herbert Head und Herbert Blumer entwickelte Theorie, legt den Fokus auf die Bedeutung von Symbolen (wie Sprache, Gesten und Zeichen) und deren Einfluss auf soziale Interaktionen und das Selbstverständnis.

Menschen handeln hierbei auf Grundlage der Bedeutungen, die sie den Dingen, Personen und Ereignissen zuschreiben. Diese Bedeutungen entstehen durch soziale Interaktionen und werden durch Symbole wie Sprache vermittelt. Individuen handeln somit nicht isoliert, sondern reagieren auf die Interpretationen und Bedeutungen, die in ihren sozialen Kontexten entwickelt werden.

Auch das Selbstbild einer Person entwickelt sich durch eben diese Interaktionen mit anderen.

Symbole sind im Interaktionismus alles, was eine Bedeutung trägt und in der sozialen Kommunikation verwendet wird, wie Sprache, Gesten und Zeichen.

Als Beispiel können hier Zweideutigkeiten genannt werden.
Erwähnen Sie in Gesprächen mit Personen aus anderen Kulturkreisen beispielsweise Sätze wie: „Möchten Sie meine Briefmarkensammlung sehen?“ oder etwas anstößiger: „Alle Bläser die noch keinen Ständer haben, gehen bitte nach oben und holen sich dort einen runter.“ – könnte es möglich sein, dass nur Ihre Gesichtsfarbe einen roten Teint annimmt, da sie mit dem Gesagten eine andere Bedeutung verknüpfen, als dass es Ihr Gegenüber tut.

Denn Symbole (Wörter und dessen Bedeutungen) werden- und sind kulturell geprägt und erlernt. Bedeutungen entstehen dabei jedoch nicht von selbst, sondern erst durch den Austausch und die Interpretation zwischen Menschen. Dieser Prozess ist dynamisch und kann sich je nach Situation verändern.

Mead beschreibt das „I“ (das impulsive, individuelle Selbst) und das „Me“ (das reflektierte Selbst, das durch soziale Erfahrungen geformt wird). Diese duale Struktur zeigt, wie sich das Individuum in der sozialen Interaktion positioniert und anpasst.

Der Prozess und die Fähigkeit, sich in die Position eines anderen zu versetzen, um dessen Perspektive und Verhalten zu verstehen, ist zentral für soziale Interaktionen und die Entwicklung von Empathie.

Die Wichtigkeit des symbolischen Interaktionismus in Konfliktsituationen, ergibt sich in der Bedeutung, die Menschen Dingen, Worten und Handlungen zuschreiben. Diese Bedeutungen entstehen durch soziale Interaktionen und werden ständig im Alltag neu interpretiert.

Gerade in Konfliktsituationen spielt dieses Verständnis eine zentrale Rolle.
Denn Konflikte entstehen häufig nicht nur durch unterschiedliche Interessen, sondern durch Missverständnisse in der Bedeutungszuschreibung: Was für die eine Person wie ein Angriff wirkt, kann für die andere ein harmloser Kommentar sein. Wer symbolischen Interaktionismus versteht, erkennt, dass jeder Mensch seine eigene Sichtweise und Interpretation von Realität hat – und dass diese Perspektiven gleichwertig nebeneinander bestehen können.
Ein solches Bewusstsein fördert Empathie, Reflexion sowie eine deeskalierende Kommunikation und hilft dabei, nicht nur auf das „Was“ (die Aussage), sondern auch auf das „Warum“ (die Bedeutung dahinter) zu achten. Damit wird der Weg frei für Versöhnung lösungsorientiertem Handeln und Verständnis.

Gerade in der Mediation spielt gerade dieses Verständnis eine zentrale Rolle. Konflikte entstehen häufig durch unterschiedliche Interpretationen von Handlungen, Aussagen oder Absichten. Der symbolische Interaktionismus hilft Mediator*innen dabei zu erkennen, dass jedes Individuum seine eigene Sichtweise der Wirklichkeit entwickelt – basierend auf persönlichen Erfahrungen, sozialen Kontexten und gelernten Bedeutungen.

Ein fundiertes Wissen über den symbolischen Interaktionismus befähigt Mediator*innen dazu, sensibler auf die Kommunikationsprozesse zwischen den Konfliktparteien einzugehen. Damit können

Bedeutungsunterschiede identifiziert-, Missverständnisse sichtbar gemacht- und zur Klärung der gegenseitigen Wahrnehmung beigetragen werden. So wird nicht nur die Kommunikation verbessert, sondern auch eine gemeinsame Basis für Lösungen geschaffen.

Damit trägt der symbolische Interaktionismus insgesamt dazu bei, Mediation nicht nur als Vermittlung von Positionen- sondern als Prozess des Verstehens, der Bedeutungsdeutung und der Beziehungsklärung zu begreifen – ein entscheidender Schritt zur nachhaltigen Konfliktlösung.

In einer zunehmend komplexen und diversen Gesellschaft ist die Fähigkeit, unterschiedliche Bedeutungen zu erkennen und zu respektieren, eine Schlüsselkompetenz für den friedlichen Umgang miteinander.

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